OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Wahlen    Persönlichkeiten    Demokratie-Vertrauen    Neue Angebote    Fazit

Eine Kernfrage 2022 ist: Warum ist die Wahlbeteiligung so niedrig und ist das ein echtes Problem?

Eine niedrige Wahlbeteiligung könnte doch ein Zeichen von Zufriedenheit sein. Warum sollte man wählen gehen, wenn mit den aktuellen Zuständen alles ohnehin bestens ist?

Sehr hohe Wahlbeteiligungen waren in der deutschen Vergangenheit meist nur ein Indiz für Diktatur. Man hat gewählt, weil es Wahlzwang gab und gewählt wurden nur Marionetten der aktuellen Macht. Im Endeffekt wurden dann aber die Menschen arm und unfrei.

In funktionierenden Demokratien hingegen gab es deutlich mehr Freiheit und letztlich auch mehr Wohlstand. Sie haben sich einfach schneller an Veränderungen angepasst, schneller Probleme gelöst und den Menschen viel mehr Freiheit zugestanden.

Eine funktionierende Presse mit unabhängigen Medien hat geholfen, Missstände aufzudecken und damit auch zu beenden. Und es gab genügend Freiheiten, für neue Probleme auch andere oder bessere Lösungen entstehen zu lassen.

Leider haben auch Demokratien nicht Kriege verhindert. Die USA waren dafür lange Zeit ein abschreckendes Beispiel, das viel zu oft zu den Waffen gegriffen hat. Andererseits war die vorzügliche Bewaffnung der USA auch ein Hauptgrund, dass es für sehr lange Zeit keinen Weltkrieg gegeben hat.

Von den vielen Formen der Demokratie haben wir uns in Deutschland (wie auch in den USA und UK) für die Repräsentative Demokratie entschieden. Das heißt, wir wählen in die Parlamente für einige Jahre Menschen, von denen wir glauben, dass sie unsere Interessen gut vertreten werden. Bewähren sie sich, kann man sie wieder wählen, sind wir mit ihnen unzufrieden, können wir sie abwählen.

Damit soll sichergestellt werden, dass wir als Wahlvolk nicht zu viel Aufwand mit den vielen - meist auch sehr komplexen - Entscheidungsprozessen bei der Gesetzgebung haben, aber auch mögliche Fehlentwicklungen rechtzeitig korrigieren können. Mir gefällt übrigens diese Form wesentlich besser als die „Direkte Demokratie“ der Schweiz.


Damit die Repräsentative Demokratie funktioniert, brauchen wir Wahlen, Repräsentanten (Abgeordnete), Parteien mit verschiedenen Programmen und natürlich Wählerinnen und Wähler. Alle diese Elemente setzen Qualität voraus, das heißt auch ein Minimum an Vielfalt, Bildung und Erfahrung. Und auch eine optimale Anzahl. Nicht zu viel, um die Kosten erträglich zu halten, aber doch genug, um die Aufgaben zu stemmen. Generell gilt bei solchen Entscheidungen die Goldene Regel: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Unsere geschriebenen Verfassungen regeln die Details dazu. Damit man sich auf sie verlassen kann, ist es schwierig gemacht worden, sie zu ändern. In der Praxis ist dies ein Problem. Geändert werden können sie nur von den Politikern, die von ihnen aber auch profitieren oder leiden. Diese werden aus naheliegenden Gründen keine große Motivation haben, sich selbst zu schaden. Die Folge sind u.a. ständig größer werdende und dadurch immer mehr ineffektive Parlamente.

Die Repräsentative Demokratie ist auch gut für die Medien (vierte Gewalt) und den Lobbyismus (fünfte Gewalt) . Die Presse hat dann immer was zu bemängeln und wenige Entscheidungsträger erleichtern den Lobbyisten wesentlich die Arbeit.

Perlmuttstrauch

Wahlen

Wie oft kann man Menschen zu Wahlen motivieren? Mit unserer politischen Gliederung gibt es alle 4 Jahre Bundestagswahlen, in Baden-Württemberg zum Beispiel alle 5 Jahre Landtagswahlen, Kommunalwahlen und Wahlen zum EU Parlament, alle 8 Jahre OB Wahlen. Für den Bundespräsidenten gibt es eine eigene Wahlversammlung, sie zählt also nicht. Durchschnittlich ist dies pro Jahr weniger als eine Wahl. Da sollte doch die Motivation kein großes Thema sein.

Bei den meisten Wahlen kann mit Briefwahl gewählt werden. Also auch der Gang zum Wahllokal ist kein Thema mehr. Wenn es also eine Abneigung gegen Wahlen gibt, die zu geringer Wahlbeteiligung führt, muss sie andere Gründe haben.

Ich habe im Ruhestand viele Wahlen persönlich verfolgt. Am besten schneiden jene Gruppen ab, die ihre Aktivitäten permanent, also nicht nur in den Wahlkampfphasen, ausüben. Konkret heißt dies, viel PR (Public Relations, am besten mit eigenen Kanälen) zu betreiben, denn für den Journalismus ist diese Vorgangsweise eher uninteressant.

Wahlen lähmen immer auch den Routinebetrieb in der Politik. Es würde Sinn machen, weniger als 16 Landtagswahlen zu haben, indem man Länder zu Regionen zusammenlegt. Fünf (Nord, Süd, Ost, West und Hauptstadt Berlin) würden sich dazu anbieten. Aber dafür herrscht Denkverbot.

Ich bin übrigens ein Freund von erzwungenem Wechsel in der Politik (z.B. nach 2 Amtsperioden) und von Altersbeschränkungen sowohl nach unten, als auch nach oben. Nach unten, dass nur Erwachsene wählen dürfen, nach oben für das passive Wahlrecht mit einer festen Altersgrenze. Erfolgreiche Firmen sorgen dafür, dass das Führungspersonal mit 60 ausgewechselt wird. In der Politik erscheint mir das zu früh, aber Aufhören mit 70 würde ganz gut passen.

Perlmuttstrauch

Persönlichkeiten

Zu jeder Wahl gibt es Wahlprogramme. Auch wenn sie mit viel Aufwand und wahrscheinlich auch mit viel Herzblut formuliert werden, so ist ihr Wert in meinen Augen gering. Da kaum jemand alleine regieren kann, müssen in einer Koalition auf jeden Fall Abstriche gemacht werden. Wahlprogramme adressieren nur bekannte Probleme, aber keine der vielen neuen Probleme, die in der Praxis dann die Arbeit bestimmen werden. Ich vergleiche sie daher mit Märchen.

Ähnliches gilt auf für die diversen Internet-Wahlhelfer, deren wichtigster in Deutschland der Wahl-O-Mat ist. Ich habe verschiedene Versionen davon ausprobiert, aber keine Hilfe dabei gefunden. Was hilft es mir, wenn das am besten zu mir passende Ergebnis eine Splitterpartei ist, die wahrscheinlich sogar die 1% Hürde nicht schafft, also auch kein Geld für meine Stimme bekommen wird. Oder, wenn zwei Argumente dazu führen, dass ich unwählbare Extremisten wählen soll, weil auch diese im Wahlprogramm aufgeführt wurden.

Ich denke, ausschlaggebend sind die Persönlichkeiten, die zur Wahl stehen. Kann man ihnen trauen, haben sie sich schon bewährt? Sind sie erfahren und gebildet genug, dass sie schwierige Entscheidungen richtig treffen werden? Sind sie bekannt genug, ehrlich genug, aber doch auch trickreich genug und fähig, gute Kompromisse zu finden? Sind sie gesund genug, um den Stress auszuhalten und haben sie auch Unterstützung durch die Familie und Partner in ihren Amt?

Können sie Fremdsprachen, mindestens aber fließend Englisch und einfaches Französisch, sind sie mit den Grundlagen der Ökonomie vertraut, verstehen sie auch ökologische Zusammenhänge? Haben sie Respekt vor den Menschen, die sie vertreten? Oder ist ihnen im Zweifel ihr eigenes Wohl doch wichtiger? Können sie nicht nur gut reden, sondern verstehen sie auch, was sie sagen?

Generell würde ich vielen gewählten Volksvertretern einen eklatanten Mangel an Bildung unterstellen. Nicht nur den extremen Parteien. Zu oft haben Quoten, Alter und Zugehörigkeit eher eine Rolle gespielt, als umfangreiche Kenntnisse. Auch spielt eine Rolle, welchen Beruf sie hatten, der ihnen erlaubt, ohne großes Risiko für einige Zeit in die Politik zu gehen. Oder können dies nur Studienabbrecher, Beamte, Rechtsanwälte oder Lehrer?

Ein wichtiger Punkt bei der Beurteilung ist für mich auch die Neigung zur Diktatur. Wer dazu neigt, am besten erkennbar durch Festkleben am Amt, Tricksen bei Abstimmungen, Ablehnen von Gesetzen oder Unterstützung radikaler Gruppen, muss rechtzeitig abgewählt werden. Auch Psychopathen, Schlagzeilensüchtige und Menschen, die sich stets als Vorbild sehen, haben in ehrlichen Demokratien keinen Platz. Intelligent und bösartig brauchen wir nicht.

Im Gegensatz zu manch anderen Ländern hat Deutschland keine formalen Ausbildungsstätten, wo man Politiker entsprechend gezielt vorbereiten könnte.

Die klassische Testfrage zur Persönlichkeit ist, ob man diese Menschen auch gerne in der Familie hätte. Etwa als Schwiegersohn oder Schwiegertochter. Ich habe dies auch einmal in den USA durchgespielt und war überrascht, wie verschieden dort die Antworten dazu waren.

Perlmuttstrauch

Demokratie-Vertrauen

Es ist leider eine unerfreuliche Tatsache, dass es viele Zweifler an der Demokratie an sich gibt. Offenbar genährt durch die Corona Maßnahmen 2021, aber auch schon vorher, durch den Einfluss von Lobbygruppen der Industrie, wie auch von Nichtregierungsorganisationen und Non-Profit-Organisationen, entsteht ein diffuser Eindruck, dass wir alle ohnehin keine eigene politische Macht mehr haben, sondern fremdgesteuert werden. Auch die vielen Bots ausländischer Propaganda könnten dabei eine Rolle gespielt haben.

Mit Angst und Verdächtigungen ist es ein leichtes, solche Strömungen in die Welt zu setzen. Aber sie zu entkräften ist schwierig. Denn je öfter man sie beim Entkräften wiederholt, desto eher werden sie dann auch geglaubt.

Neue Angebote

Neue politische Angebote, wie neue Parteien, Bewegungen oder Strömungen, wie immer man sie auch nennt, zu starten, ist in Deutschland sehr schwierig. 5% aus dem Stand zu erreichen, scheint unmöglich zu sein. Ich habe deshalb einen persönlichen Versuch mit 2 Halbstimmen statt einer Stimme gestartet, selbstverständlich ohne jedes Echo.

Auch hier gilt, die etablierten Parteien haben Null Interesse, ein Wahlrecht, das ihnen schaden könnte, einzuführen. Lieber leben sie mit der Politikverdrossenheit. Solange es keine Mindestwahlbeteiligung (Quorum) gibt, werden sie jede noch so schlechte Wahlbeteiligung akzeptieren.

Es würde auch schon helfen, wenn man Wahlergebnisse unter Angabe der Nichtwähler darstellt. Auch das habe ich noch nicht dauerhaft gesehen.

Ich sehe auch keine Versuche, Anreize für mehr Partizipation zu schaffen. Da gäbe es viele, auch schon in den Parteien oder Vereinen bewährte Möglichkeiten, aber nichts für die Öffentlichkeit. Oder wer verleiht schon eine Plakette für 20 Jahre Wahlbeteiligung?

Fazit

Es wird sich nichts ändern. Der Frust als Motivation für Veränderung ist nicht groß genug. Das allgemeine Jammern der Parteien darüber nach Wahlen ist in meinen Augen nur Heuchelei. Ich habe parallel zum Schreiben des Textes auf Twitter @ottobuch eine Umfrage gestartet. Nur 4 von 200 Followern haben innerhalb von 36 Stunden darauf regiert. Dies unterstützt meine Vermutung der Heuchelei. Man tut so, als gäbe es ein Problem, es ist aber keins, denn sonst würde man es auch zumindest anpacken.

Umfrage Wahlbeteiligung Mai 2022

INHALT

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