OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Ich war schon ziemlich erwachsen, als mir zum ersten Mal die Bedeutung von Wartung klar geworden ist. Es war bei einem Besuch von einem Rechenzentrum in Zürich, Anfang der 70er Jahre. Auf die Frage, wie man denn große Verfügbarkeit für die Benutzer erreichen kann, hat mir der dortige, noch sehr junge Chef geantwortet, nur durch gute Wartung.

Wartung ist die Reparatur, bevor etwas kaputt geht, hat es ein Student einmal sehr treffend formuliert. Laut DIN versteht man unter Wartung die "Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates". Wie auch immer, Wartung scheint etwas sehr vernünftiges zu sein.

Aber in vielen Köpfen hat sich das Konzept der Wartung nicht festgesetzt. Anders kann ich folgendes nicht verstehen: Warum machen Menschen keinen Urlaub, sondern warten, bis sie erst ein Spitalaufenthalt wieder in normale Bahnen bringt, warum werden technische Geräte solange gestresst, bis sie kaputt sind, warum gehen Männer nicht zur Vorsorgeuntersuchung, warum fahren Autos mit komplett abgefahrenen Reifen herum, etc. In all diesen Fällen wird Wartung durch Reparatur ersetzt und man riskiert, dass dadurch große Schäden durch Nebeneffekte bei dem unvorhergesehenen Ausfall entstehen können.

Vordergründig erscheint es eben viel billiger zu sein, an der Wartung zu sparen. Auch die Politik handelt oft so und schiebt Probleme hinaus, deren Lösung später sehr viel teuerer werden kann. Es gibt sicherlich gute Gründe, auf manche Wartung kurzfristig zu verzichten, aber langfristig Raubbau zu betreiben, wird sehr teuer. Wartung ist für mich wie der Schlaf von Lebewesen. Ich kann vielleicht eine Nacht nicht schlafen, wer jung und fit ist, vielleicht auch zwei nicht, aber dann geht nichts mehr und der Betrieb stoppt. Da wir von 24 Stunden etwa 8 Stunden schlafen, haben wir auch einen Richtwert für den notwendigen Aufwand, nämlich etwa 30 Prozent kann Wartung kosten, wenn wir dadurch wirklich lange Verfügbarkeit gewinnen wollen.

Wartung ist für mich auch ein Teilaspekt von Nachhaltigkeit. Auch bei Benutzung etwas zu erhalten, das geht nur durch Wartung und/oder Reparatur und ich würde vermuten, in vielen Fälle ist vorsorgende Wartung wesentlich billiger, wenn man die Gesamtheit der Kosten betrachtet. Besonders im Gesundheitsmanagement wäre da noch viel Raum für Kostenersparnis. Prävention ist billiger als Therapie, Vorsorge viel billiger als Behandlung, heißt es zwar gerne, aber speziell unser deutsches System handelt nicht so!

Rein ökonomisch kann man unser Unverständnis für Wartung nicht erklären. Gewiss, das Ersetzen alter Produkte durch neue hat seinen Reiz und es ist nicht schlecht fürs Geschäft. Aber auch Wartung bedeutet Geschäft und hier liegt der Reiz an der Kontinuität der Einkommen. Es ist ein ähnlicher Konflikt wie zwischen Leasing und Kauf.

Es muss auch noch andere Gründe geben und den wichtigsten nenne ich Erpressbarkeit. Wenn etwas kaputt ist, dann ist die Not groß etwas, dagegen zu tun. Und auch wenn es teuer ist, die Menschen sind dafür. Wartung hingegen ist ein Gegenmittel zum subtilen, langsamen Verlust und für die Einsicht, den zu verhindern, bedarf es schon großer Klugheit! Mit Schaden kann man drohen, mit Schaden verhindern weniger. Dazu fehlt den meisten Menschen die Fantasie!

Es gibt noch einen anderen Grund gegen Wartung zu sein und das sind manche Erfahrungen im Alltag, z.B. mit Autowerkstätten. Kaum war das Auto bei der Wartung, prompt funktioniert danach etwas nicht mehr. Und so kommen viele zu der Erkenntnis: Greif nie in ein funktionierendes System ein oder "Never change a running system"! Besonders wenn die Geräte oder Systeme hochkomplex sind, ist es oft schwierig, die Abhängigkeiten untereinander zu kennen und dort setzt dann Wartung gute Kenntnisse voraus, soll sie Sinn machen.

Unsere Gesellschaft liebt Wartungsarbeiten nicht und es wird als großer Vorteil gesehen, wenn Wartungsintervalle lang sind oder etwas sogar tatsächlich wartungsfrei ist. Tatsächlich kann man z.B. durch das Ersetzen von Mechanik durch Elektronik hier echte Fortschritte erreichen. Aber wir verlieren dadurch auch etwas, nämlich den persönlichen Bezug zu diesen Dingen, den wir z.B. ganz extrem bei einem Tamagochi hatten. Wir fühlen uns dann nicht mehr verantwortlich und fangen an, unsere Umgebung zu vernachlässigen und auch uns in ihr fremd zu fühlen.

Wartung wird für Gesellschaften, die ihren Wohlstand durch Wissen aus dem Ausland einkaufen, zum Riesenproblem werden. Ich denke dabei vor allem an die Golfstaaten. Ihr Status wurde im wesentlichen von ausländischen Experten geschaffen, die nach Fertigstellung großteils wieder weggehen. Solange der Wohlstand sprudelt, werden sie auch für die sicher notwendigen Reparaturen oder Wartung für viel Geld auch wieder zurückkommen, aber auf sich allein gestellt droht diesen Ländern der Verfall.

Der Zahn der Zeit nagt nicht nur an Metallen oder Beton, auch geistige Werke veralten sehr schnell, wenn sie nicht regelmäßig fortgeschrieben werden. Je detaillierter und umfangreicher sie sind, desto schneller werden sie unbrauchbar.

Jedes Mal, wenn ich meine Geschirrspülmaschine ausräume und danach sorgfältig  Filter und Siebe säubere, kommen mir diese Gedanken zur Wartung. Als Kind lernt man am besten, was Wartung bedeutet, wenn man ein Haustier als Spielkameraden hat. Für Jugendliche kann ein Fahrrad, das bei starker Benutzung auch gewartet werden muss, eine ähnliche Wirkung ausüben. Auf jeden Fall gehört es zu unseren wichtigen Erfahrungen, sich die Bedeutung von Wartung, im kleinen wie im großen, klar zu machen.

Freude zum Schluss

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