OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Mit 29 Jahren habe ich die Universität verlassen und bin in die Industrie gegangen. Der Wechsel ist mir nicht ganz leicht gefallen, weil ich an der Uni viel Freiheit hatte und auch sehr gut verdient habe. Letzten Endes waren es dann auch private Gründe, die mich haben auswandern lassen

Ich habe sehr schnell erkannt, dass dieser Wechsel genau das Richtige für mich war. Neben den optimalen äußeren Bedingungen, wie ein Arbeitsplatz mitten im Wald (den hatte ich mir in der Großstadt Wien immer schon gewünscht), einer super Kantine und einem hervorragenden Freizeitangebot, war es vor allem eine Denkweise, die Flexibilität und damit Freiheit erlaubte.

Da ich an der Uni einen guten Chef hatte, waren in gewissem Rahmen auch dort Neuerungen möglich. Aber oft stand das feste Jahresbudget im Weg. Wer sich auskannte, konnte damit gut leben. So habe ich nie zum Jahresende Urlaub genommen und alles dafür vorbereitet, um die letzten Tropfen aus dem Budgettopf noch schnell und sinnvoll ausgeben zu können.

Aber in der Industrie war dies anders. Für gute Ideen war immer genügend Geld da. Wenn man mit einem Dollar Investition zwei verdienen oder sparen konnte, dann war das kein Problem und es wurde gemacht. Noch heute bin ich dafür dankbar, diese Freiheit für einige Zeit genießen zu können.

Ein Mittel, um neue Ideen zu kreieren, waren Verbesserungsvorschläge. Wir haben sie einfach nur VVs (Vauvaus) genannt. Das Betriebliche Vorschlagswesen hat in Deutschland lange Tradition und es wird bis heute gepflegt und modifiziert.

Es gab dazu Regeln, auf die ich hier nicht im Detail eingehen möchte, weil einige davon sicher schon veraltet sind. Kurz gesagt, bekam man für Ideen, die Geld brachten oder einsparten einen Prozentsatz des Gewinns oder Ersparten. Es gab dafür richtig Geld. Ich kann mich an einen VV in meiner Umgebung erinnern, der 100.000 Dollar einbrachte. Das war seinerzeit ein Vielfaches meines Jahresgehalts und man konnte sich ein Haus dafür kaufen.

Dazu eine kleine Geschichte am Rande, von einer anderen Firma. Bei der Geldübergabe fragte der Chef den Mitarbeiter, der einen ebenfalls großen Betrag bekommen hat, warum er denn diesen Vorschlag nicht schon früher gemacht habe und der Betroffene antwortete ehrlich: Es hat mich keiner danach gefragt! Bei uns war dies anders, es wurde oft danach gefragt und es hat sich eine richtige Kultur dazu entwickelt.

Für den ersten Verbesserungsvorschlag (VV) bekam man ein schönes, kleines Taschenmesser, egal ob der Vorschlag nun durchgeführt wurde oder nicht. Es liegt übrigens bis heute auf meinem Schreibtisch, seit jetzt bald 40 Jahren! Es ist ein gutes Beispiel, wie man Bindungen an eine Institution erfolgreich aufbaut. Das Souvenir ist klein, praktisch, man kann es gut im Alltag einsetzen und es ist von bester Qualität!

Gute Ideen werden belohnt

Seinerzeit durften Führungskräfte keine Verbesserungsvorschläge machen. Der Grund dafür war, dass man damit den Mitarbeitern Gelegenheit geben konnte, ihre Ideen mit den Managern zu besprechen, ohne dass sie fürchten mussten, dass diese die Ideen klauen. Ich habe nach meiner Beförderung anfangs darunter etwas gelitten, weil ich ein häufiger (und auch erfolgreicher) VV Schreiber war.

Aber ich habe einen guten Ersatz für mein Hobby gefunden. Ich habe einfach meine Mitarbeiter zum VV Schreiben animiert. Wer neu in die Firma kam, bekam von mir gute Ideen geliefert, mit folgendem Deal: Das Geld gehört dir, das Taschenmesser gehört mir. Die Folge war, dass meine Abteilungen oft bei 100 Prozent Teilnehmern war, dafür gab es wieder besondere Anerkennung. Und ich konnte die begehrten Taschenmesser weiter verschenken.

Natürlich gab es - wie bei jedem Programm - auch Probleme. Wo viel Geld fließt, gibt es auch Neid, Streitereien und Frustration. Und manche haben dabei auch ihre Kernaufgabe vergessen und waren nur noch auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmen. Aber unter dem Strich denke ich, war es eine gute Sache und es hat sich für die Firmen auch gerechnet.

Als wichtigsten Aspekt betrachte ich heute die Identifizierung mit einer Firma, an deren Prozessen und Inhalten ich mich beteiligen kann, auch wenn dies nicht in meinen Aufgabenbereich fällt. Für mich war meine Firma nicht nur ein Arbeitgeber, sondern sie gehörte auch - zu einem kleinen Teil - mir. Und zwar nicht wegen der Aktien, sondern weil ich ihre Inhalte mit formen konnte.

Im Jahre 2012 hat die Bundeskanzlerin Merkel mit dem Dialog über Deutschland etwas ähnliches versucht und um Vorschläge zu den drei Fragen "Wie wollen wir zusammenleben?", "Wovon wollen wir leben?" und "Wie wollen wir lernen?" gebeten. Ich habe mich anfangs auch daran beteiligt, später aber dann das Geschehene nur noch verfolgt.

Der Prozess ist inzwischen abgeschlossen und ich betrachte diesen Versuch als Flop, auch wenn die offizielle Meinung etwas anderes aussagt. Was ist schief gelaufen? Kurz gesagt, hat man in diesem Prozess die Berufslobbyisten durch Internet Pressure Groups ersetzt, mit dem genau gleichen negativen Ergebnis. Anders kann ich mir sonst nicht erklären, dass als wichtigster Vorschlag ein "Gesetz gegen die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern und Aramäern" gewählt wurde.

Wir müssen erst noch lernen, wie man Meinungsbildung im Internet so gestaltet, dass die Ergebnisse auch den Volkeswillen ausdrücken. Aber je öfter wir es versuchen, desto schneller werden wir dabei Fortschritte machen. Denn letzten Endes wird kein Weg daran vorbeigehen, seine Meinung online auszudrücken, ohne dass daraus neue Diktaturen werden.

Freude zum Schluss

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