OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Religionen sind in meinen Augen Gedankengebäude, die alle jene wichtigen Bedürfnisse der Menschen befriedigen, um die sich sonst keiner kümmert. Ihre Inhalte sind überwiegend nicht beweisbar, man muss sie glauben. Menschen einer Religion nennt man deshalb auch Gläubige.

Menschen, die ihr Gedankengebäude wichtig nehmen, bevorzugen Kontakte zu Gleichgesinnten. Da wir wegen des wechselhaften Klimas in unseren Gegenden keine angenehmen Treffpunkte im Freien haben, bauen wir Gebäude, in denen wir uns jederzeit treffen können. Wenn sich dort nur Gläubige treffen, nennen wir sie Kirchen. Und so unterscheiden wir im Alltag kaum zwischen Religion, Gläubigen und Kirchen und ich werde diese auch synonym verwenden.


Viele Religionen, jedoch nicht alle, kennen den Begriff von "Gott". Es beschreibt ein Wesen von großer Macht, das nicht in Frage gestellt wird und das dem Gedankengebäude Autorität verleihen soll. In ihm fokussiert sich auch das Wesen einer Religion und jeder glaubt, den richtigen und wahren Gott zu haben.

Ich denke, es ist fair, wenn ich schon hier bekenne, dass ich selbst nicht an die Existenz eines Gottes glaube. Wer sich dadurch verunsichert oder beleidigt fühlt, soll das Weiterlesen abbrechen. Dennoch glaube ich an die Existenzberechtigung von Religionen.


Einige Religionen haben als Ziel, die "Seele" eines Menschen zu retten, wobei nicht klar ist, was die Seele genau ist. Meist wird die Seele als unsterblich angesehen, sie lebt deshalb auch nach dem Tode weiter. Sie kann aber auch schon vor der Geburt existieren, sie kann auch wiedergeboren werden und sie kann auch erlöst werden, indem sie sich im Nichts auflöst.

Da die Seele so wichtig ist, versuchen Gläubige auch die Seelen von Ungläubigen zu retten, indem sie missionieren, das heißt, ihren Glauben verbreiten. Oft geschieht dies mit aufwändigen Mitteln, bis hin zu großer Brutalität.

Auch hier bin ich wieder für Transparenz: Ich glaube weder an die Unsterblichkeit, noch an Wiedergeburt, und für das Wort "Seele" verwende ich viel lieber das Wort "Wesen". Das Wesen eines Menschen wirkt tatsächlich in uns, auch wenn er nicht da ist und auch nach seinem Tode, nämlich dann, wenn wir uns wieder an ihn erinnern. Und ich erachte es als ganz großen Nachteil für die Menschheit, wenn die Missionierung zu wichtig genommen wird.

Der "richtige Glaube" erscheint den Gläubigen als sehr hohes Gut, für das es sich sogar lohnt zu sterben. Die Gläubigen werden dadurch zu Märtyrern, als Blutzeugen genießen sie besonders hohes Ansehen innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft und werden auch im Jenseits besonders "belohnt", wobei man natürlich nicht nachprüfen kann, ob dies dort auch zutreffen wird.


Da sich Lebensumstände ändern, muss jede Religion neue Antworten auf neue Fragen finden. Es ist oft schwierig, gleich gute Lösungen für alle Gläubigen zu finden und es kommt daher auch zu Spaltungen. Selbst nach langen Zeiträumen, wenn man also schon wüsste, welche Glaubensrichtung sich als besser erwiesen hat, werden Glaubensspaltungen aufrechterhalten. Oft sind es nur kleine Unterschiede, die für einen Außenstehenden belanglos erscheinen, die zu massiven Konflikten führen können.

Die Schwierigkeit besteht darin: da diese Gedankengebäude ja nicht beweisbar oder meßbar sind, wie sollte man also entscheiden können, wer Recht hat? Eine Lösung wäre, die Erfahrungen damit zu bewerten, aber dies kommt meist nicht Frage. Für mich aber wäre dies aber ein Entscheidungskriterium und ich würde das empfundene "Glück" als Meßlatte nehmen. Wer sich glücklicher fühlt, hat die bessere Religion gewählt.


Die Frage nach der richtigen Religion ist nicht nur bei Spaltungen relevant, sondern auch, wenn in unserer entgrenzten, globalisierten Welt die Religionen, die historisch von einander isoliert waren, aufeinander treffen. Sie wird besonders kritisch, wenn Regierungsmacht und Religionsmacht stark miteinander gekoppelt sind. Denn dann werden Glaubenskonflikte zu realen Konflikten, die bis zum Krieg und im Extremfall bis zur Auslöschung des Gegners führen können.

Es ist daher naheliegend, beide Mächte zu trennen, wir kennen den Begriff Laizismus dafür. Er ist für mich eine Vorbedingung dafür, dass jeder glauben kann, was er will. Ist diese Trennung nicht möglich und ist auch eine räumliche Trennung zwischen verschiedenen Religionen nicht praktikabel, dann ist immer noch eine "gedankliche Trennung" möglich, die sich am einfachsten damit ausdrückt, dass man den anderen "Respekt" erweist. Das heißt, man akzeptiert sie so, wie sie sind und vertieft nicht die Unterschiede. Leider kann Laizismus selbst auch zum Problem werden, weil durch ihn Fanatiker sich stark provoziert fühlen.

In einem Umfeld, wo alle Beteiligten tolerant sind, ist dies aber ein guter, brauchbarer Weg, um in Frieden miteinander leben zu können. Nicht hilfreich erscheint mir der Ruf nach einem "Dialog", der meist nur ein versteckter Versuch der Missionierung ist. Denn so wie alle Menschen fast überall Ausländer sind, so sind alle Religionen für viele andere auch Irrglaube.


Die Machtmechanismen der Religionen sind einfach, aber dennoch nicht immer sofort zu durchschauen.

Die wichtigste Methode ist die Berufung auf Gott, konkret ist damit meist Einschüchterung gemeint. Für Menschen mit kindlichem Gemüt und mit wenig Bildung ist dies schon ausreichend.

Aber es wird auch der Schutz Gottes angeboten, durch die Segnung.

Subtiler, aber in der Breite wirkungsvoller, ist die Kontrolle durch die Repräsentanten der Religion von Aktivitäten, die jeder Mensch eigentlich frei ausüben könnte, wie Ernährung oder Sexualität.

Die dritte wichtige Säule ist die Weitergabe von Wissen und Erfahrung, das sich über lange Zeiträume bewährt hat und für das wir die Begriffe Ethik oder Moral verwenden. Aber auch die Kultur kann dazu gehören und es sind oft die Religionen, die zu wichtigen Kulturträgern werden.

Andere Mechanismen, wie Erklärung der Welt, des Lebens, unsere Zukunft sind durch die Erkenntniss der Wissenschaften leicht zu ersetzen und für entwickelte Gesellschaften nicht mehr wichtig. Es wundert daher nicht, dass es unter den Wissenschaftlern vergleichsweise mehr Atheisten gibt. Und die gegenseitige Unterstützung und Trost in einer Gemeinschaft kann von anderen Trägern ebenso geleistet werden.

Da leider unsere Informationsquellen immer unzuverlässiger erscheinen, werden Religionen erneut Chancen bekommen, diese Bedürfnisse wieder zu befriedigen!

Aber es bleiben die große Anziehungskraft von Mystik (intensive Erfahrung) und Esoterik (Geheimwissen eines Personenkreises). Sie erfüllen wichtige Bedürfnisse vieler Menschen und sind in meinen Augen die Quintessenz einer erfolgreichen Religion. Atheisten verneinen ihre Notwendigkeit, ich grenze mich jedoch hier von ihnen ab. Ich denke, dass sie nicht unterdrückbar, wohl aber ersetzbar sind!

Der Ersatz liegt heute meist in Großveranstaltungen, speziell beim Sport und bei der Musik. Sie sorgen für dieses unbeschreibliche Gefühl, Teil eines ganz speziellen Momentes oder einer besonders auserwählten Gruppe zu sein. Aber auch kulturelle Kleinveranstaltungen, z.B. Lesungen oder Konzerte erfüllen den gleichen Zweck. Auch die Meditation beim Laufen oder anderen Ausdauersportarten erfüllen Menschen mit Erleuchtung. Selbst die Benutzung von Produkten spezieller Marken (genannt wird in diesem Zusammenhang gerne die Computerfirma Apple) erfüllt die Menschen mit großer Freude, vergleichbar wie bei der Esoterik.

Es gibt also in freien Gesellschaften große nichtreligiöse Konkurrenz zu den Religionen und es wundert daher nicht, dass ihre Mitgliederschaft entweder bröckelt oder sich fanatisieren lässt.


Ich habe mir vor einigen Jahren überlegt, selbst eine Weltanschauung mit religionsähnlichen Zügen zu gründen. Ich nannte sie die Mallorca-Religion, weil mir dort auf der Insel die Idee dazu kam. Es war keine gute Idee. Ich habe deshalb den Gedanken später wieder verworfen, aber geblieben ist das Konzept des Globismus, über den ich auch hier berichte.

Im Gegensatz zum Globismus, für den sich niemand interessiert, war das Interesse an der Mallorca Religion groß. Testen kann man dies nicht nur an den Hits im Internet, sondern vor allem auch an den Preisen für Werbung auf dieser Plattform. Und da gab es Anbieter, die zahlten für einen einzelnen Klick auf ihre Werbung bis zu 8 Dollar!

Das war letzten Endes der Grund damit aufzuhören. Denn bei diesen Preisen kann es nicht mehr seriös zugehen und ich wollte nicht Mittäter im Kampf um die Seelen, oder besser deren Geld, werden. Aber offenbar rechnet sich das Modell für die alternativen Religionsanbieter, denn sonst würden und könnten sie es nicht tun.

Interessant aber ist der Gedanke, Atheismus so zu gestalten, dass damit auch einige (es können nie alle sein) religiöse Bedürfnisse befriedigt werden, wie es Alain de Botton beschreibt. Er betont besonders die Hilfen beim praktischen Leben, für Trost, Rat und richtiges Entscheiden.

Die Methoden, die - jetzt unabhängig von Glauben - in vielen Religionen wirksam sind und auch in allen anderen Bereichen angewandt werden können, sind z.B.

Ich würde noch einige spezielle Aspekte dazu fügen


Meine positiven Erfahrungen mit Religionen waren meist kultureller Art. Ich habe viele Jahre in Deutschland und den USA in verschieden Kirchenchören gesungen und es war überwiegend gut. Besonders in den USA hat man großen Wert auf Qualität gelegt und es haben neben uns Laien auch immer Profisänger gesungen, was sowohl das Lernen beschleunigt, wie auch den Stress vor Aufführungen vermindert hat.

Auch Meditationen, wie Maiandachten und Rosenkranzbeten haben mich durchaus erfreut, auch noch zu Zeiten, als ich schon bekennender Atheist war. Besonders als junger Erwachsener in Österreich habe ich unzähligen Kirchenkonzerte, z.B. Messen, besucht und große Freude daran gehabt. Es ist also nachvollziehbar, dass ich Kirchen als Kulturträger gut finde.


Aber ich habe auch viele negative Seiten an Kirchen erlebt. Angst, Furcht und Einschüchterung als Kind und Jugendlicher will ich nicht breittreten, denn zum Glück habe ich meine Jugend als Katholik in Österreich verbracht. Denn noch viel schrecklicher muss es für die Pietistenkinder gewesen sein, deren Schicksal ich dann in Deutschland kennen gelernt habe.

Das größte Problem für mich persönlich war die Kirchensucht einiger mir naher Menschen. Diese fanatische Abhängigkeit, die alles zerstört, was nicht zur Kirche passt, sie ist wirklich schlimm. Sie tritt nicht nur bei Sekten auf, sondern auch bei manchen Gemeinden der Volkskirchen. Sie ist in ihren Auswirkungen durchaus vergleichbar mit der Drogensucht.

Die Abhängigkeit wird durch die gleichen Mechanismen erreicht, wie durch Manipulation bei der Propaganda. Man zwingt Menschen zu einem Handeln und belohnt sie dann ganz gering. So versuchen sie sich immer mehr und mehr einzubringen. Wer keine Hilfe bekommt rechtzeitig wieder auszusteigen, wird daran zerbrechen.


Mein Fazit als alter Mann, was ich in Bezug auf Religionen gelernt habe:

Freude zum Schluss

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