OTTO BUCHEGGER ERZÄHLT

Meine Eltern kamen aus 2 verschiedenen Milieus, wie man das heute nennen würde. Beide Jahrgang 1914, aber doch sehr verschieden aufgewachsen. Meine Mutter eher ländlich, mein Vater eher städtisch. Beide waren die jüngeren Kinder einer großen Familie. Ich hatte also vergleichsweise alte (und auch schon etablierte) Onkel und Tanten, aber leider auch nie meine Großeltern erlebt. Ersteres war durchaus erfreulich für mich, aber nie Oma oder Opa gekannt zu haben, hat mir ein Leben lang gefehlt.

Für mich als Kind war die verschiedene Herkunft meiner umfangreichen Verwandtschaft hoch interessant. Sowohl die Wahrnehmungen, wie auch die Einschätzungen waren sehr verschieden. Ein typisches Beispiel ist das Wetter

In der Stadt war es höchstens interessant, ob man noch trocken nach Hause kommt oder ob es Hochwasser gibt oder nicht. Für das Land der alles entscheidende Unterschied, ob die Ernte gut oder zerstört wird. Gewitter in der Stadt fast unterhaltend, mein Vater stand in der Parterrewohnung eines dreistöckigen Wohnblocks gerne am offenen Fenster und hat es verfolgt. Meine Mutter immer in höchster Angst. Oft angezogen, damit man bei einem Blitzeinschlag schnell aus dem brennenden Haus fliehen konnte.

Dieses Interesse für beide Strukturen war nicht nur interessant, sondern auch nützlich. So habe ich fast ein ganzes Leben lang Kontakte zu beiden gepflegt. Es waren so eine Art Patenschaften, die da entstanden sind und die ich auch immer noch sehr empfehlen kann. Im Notfall gab es doch auf dem Land mehr zu essen, aber in der Stadt konnte man auch mehr Möglichkeiten für Ausbildung und Verdienst finden.

Viele andere Vorurteile über Stadt und Land kann ich aber nicht bestätigen. Es hängt doch immer sehr viel davon ab, wo konkret man zu Hause ist und mit welchen Menschen man zu tun hat.

Dörfer

In beiden Lebensbereichen gibt es Dörfer, habe ich gelernt. Dörfer auf dem Land entstanden vor allem wegen der Sicherheit. Fast immer spielte der Zugang zum Wasser und damit auch der Schutz vor Feuer eine wichtige Rolle.

Dörfer in Stadtnähe boten dafür billigere Wohnungen an. Oft waren sie auch Sprachinseln für frisch Zugezogene. Irgendwann wurden sie dann integriert und nur noch ihre Namen erinnern heute an ihre Vergangenheit.

Was sind Dörfer?

Das Wesen eines Dorfs hat mich zeitlebens fasziniert und der Begriff ist für mich ausgesprochen positiv besetzt. Dörfer gibt es nicht nur im engeren, lokalen Sinn. Sie findet man auch in Millionenstädten (als village oder Stadtteil) oder gar global und virtuell.

Zuerst die möglichen Vorteile: Alles Wichtige im Alltag im Leben für Arbeit und Freizeit nahe (optimal in Fußdistanz) zu haben, jeder kennt jeden, im Notfall schnell reagieren können, niemals einsam sein, keine Abhängigkeit von Medien, weil alles Wichtige ohnehin getratscht wird, Kinder haben viele Ansprechpartner und können von allen lernen. Jeder wird auf seine Weise geschätzt und alle sind irgendwie auch stolz auf ihre Umgebung. Einige Vereine und eine Dorfkneipe stehen für Kontinuität und Selbstverständnis.

Was ein Dorf heute von einer Ortschaft unterscheidet: Es hat eine Post (wichtig für Online Einkauf), zuverlässigen Anschluss an Wasser, Strom und Internet, es gibt (noch) eine Arztpraxis (mit Apothekenservice) und eine Art Supermarkt (Dorfladen). Ein Anschlagbrett für Nachrichten und Kontakte reicht für die Kommunikation. An Personal braucht es jemanden, der für Sauberkeit (Müll), Brandschutz und Sicherheit sorgt. Lehrer(in) und Pfarrer(in) sind nicht mehr zwingend vorhanden.

Zu den Nachteilen gehören vor allem die Verkehrsanbindung, fehlender persönlicher Zugang zu höherer Bildung, politische Vielfalt, so wie die Sicherheit von Anonymität. Nicht erwarten kann man also den Anschluss ans ÖPNV Netz, aber auch andere Einrichtungen, wie Restaurant oder Friseur werden fehlen.

Globale Dörfer

Das Prinzip ist das Gleiche. Gemeinschaften von Menschen mit ähnlichen Interessen, aber individuellen, unter Umständen weit auseinander liegenden Wohnorten. Das Verbindende sind die Interessen und ehrliche Kommunikation. Dies können sowohl Hobbys, wie auch Forschungsthemen oder einfach auch gemeinsame Familienherkunft sein. Einiges wird wegfallen, wie persönliche Hilfe in Notfällen, dafür aber kann man die Ressourcen der ganzen Welt zur Verfügung haben.

In meinem Fall ist die Kommunikationsplattform WhatsApp ein lokales Dorf. Problemlos kann über Ländergrenzen hinweg kommuniziert werden, ohne wesentliche Kosten oder Gefahren. Ob es so bleibt ist allerdings unsicher.

Im Krisenfall ist doch ein guter Kontakt zu einigen freundlichen, hilfreichen Nachbarn wichtiger als alles andere.

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